"Wir müssen miteinander reden"!
Das Sonderkonzert der PHM „Wie liegt die Stadt so wüst“ war Teil des großen Programms anlässlich des Gedenkens an den Untergang Hanaus am 19. März 1945, der mehr als 2000 Menschen das Leben kostete. „Wie gehen unsere Schülerinnen und Schüler mit diesem Thema um, wie bewerten sie aus heutiger Sicht dieses schreckliche Ereignis, wie sehen sie in Zeiten eines neuen Kriegs im Osten Europas ihre Zukunft?“, lauteten so einige Fragestellung zu den Konzertinhalten.
Die Botschaft, die von dem Konzert ausging, war sowohl sehr eindringlich wie eindeutig. „Für mich ist es sehr schwer vorstellbar, wie es für Kinder sein muss, die im Krieg aufwachsen“, fragt sich beispielsweise Mia Adam, 10 Jahre, die das Konzert mutig und ganz selbstbewusst mit Bartoks kleinem Stück „Kummer“ am Flügel eröffnete. Viele Jugendliche, so wurde schnell deutlich, sorgen sich über die aktuelle Weltlage und wünschen sich sehr, dass man nicht aufhört, miteinander zu reden. Krieg sei jedenfalls nie eine Option, um die Probleme auf der Welt zu lösen, so die klare Botschaft.
Die zu Gehör kommenden Werke, sei es solistisch, sei es im Ensemble oder in der Band, fügten sich sehr harmonisch in diese Friedensbotschaft ein wie etwa John Lennons „Imagine“, mit ausdrucksstarker Stimme von Marina Mühlemann vorgetragen, oder die Titelmelodie aus dem Film „Schindlers Liste“, die die Pianistin Zehra Dietrich als Symbol für Hoffnung und Nächstenliebe verstanden wissen wollte. Auch der in Hanau geborene Komponist Paul Hindemith durfte nicht fehlen, hat er mit seinem Werk „Wir bauen eine Stadt“ bleibende Spuren hinterlassen, einfühlsam und spritzig vorgetragen von Johanna Schusser, Sofia Bracchi und Marlene Krieg an den Klarinetten. Gänzlich härtere Töne röhrten von der Bühne mit dem „Cranberries“-Titel „Zombie“ in Erinnerung an zwei Kinder, die während des Irland-Konflikts durch einen Bombenanschlag der IRA 1993 in Warrington getötet wurden, wie die Sängerin Sophie Ostrowicz erläutert. Dem folgt als Kontrast das zart-fahle Licht des Mondes als Friedensbringer. Zauberhaft in Ton und Ausdruck lässt der 13-jährige Felix Zhou am Flügel Debussys „Claire de lune“ erleuchten – eine absolut reife Leistung.
Überhaupt war das gebotene Niveau der zu Gehör kommenden Werke ganz oben in der Skala angesiedelt. Davon zeugten nicht minder auch eindrucksvoll die mehrfach ausgezeichneten Preisträger Lukas Bender und Sienna Münch am Klavier. Und was liegt in diesem Zusammenhang näher, als unmittelbar vom Krieg betroffene Menschen zu Gehör zu bekommen: Der Mutter-Kind-Chor „Ukrainische Melodie“, der an der PHM eine Heimat gefunden hat, kündete von Hoffnung auf eine bessere Zukunft für sein Heimatland – berührend und bedrückend zugleich.
Wie war das denn, 1945 kurz vor Kriegsende in Hanau und auch in Dresden? Die Hanauer Sopranistin Gisela Bonhard-Roeder, Mitbegründerin der PHM, kann Antwort geben, erlebte sie als achtjährige den Bombenhagel kurz vor Kriegsende in Dresden, während ihr späterer Ehemann Klaus Bonhard den Hanauer Untergang vom Beethovenplatz aus durchleben musste. „Dresden war nur noch eine einzige glutrote Flammenwand“¸ so Bonhard-Roeder. Ihr Mann hingegen war während des 20-minütigen Bombardements am Beethovenplatz in einem Luftschutzbunker untergebracht. Danach, so berichtet die 88-Jährige, haben sich die wenigen Überlebenden aus der Innenstadt Hanaus herausgeschleppt – ein unwirkliches, erschütterndes Bild vor der Trümmerwelt im Hintergrund.
Kreuzkantor Rudolf Mauersberger war es auch, der unter den Eindrücken der Zerstörung Dresdens die Trauermotette „Wie liegt die Stadt so wüst“ komponiert hat, das vom PHM-Streicherensemble unter der Leitung von Anna Boida in tiefgründiger, expressiver Dichte voller Schmerz und Klage interpretiert wurde. In einem hauchzarten Piano endet schließlich ein Konzert, das eine gelungene Brücke vom Krieg hin zum Frieden schlagen kann und das die Sorgen und Bedenken der Jugendlichen in einer deutlichen Botschaft an die Großen der Welt zusammenfassend zum Ausdruck bringt: „Redet miteinander!“